Gesetzesbegründung zu § 1 LkSG

Zu Abschnitt 1 (Allgemeine Bestimmungen)

Zu § 1 (Anwendungsbereich)

Der Begriff des „Unternehmens“ dient als Obergriff und ist rechtsformneutral. Adressat des Gesetzes und An- knüpfungspunkt für die Arbeitnehmerschwelle ist die jeweilige natürliche oder juristische Person oder sonstige rechtsfähige Personengesellschaft als Rechtsträgerin des Unternehmens. Da das Bestehen von menschenrechtlichen oder umweltbezogenen Risiken nicht von der gewählten Rechtsform des Unternehmens abhängt, sieht das Gesetz diesbezüglich keinerlei Beschränkungen vor. Juristische Personen des öffentlichen Rechts, die Verwaltungsaufgaben einer Gebietskörperschaft wahrnehmen, fallen nicht unter § 1, soweit sie nicht am Markt unternehmerisch tätig sind.

Zu Absatz 1 Satz 1

Zu Nummer 1

Liegt die Hauptverwaltung, die Hauptniederlassung, der Verwaltungssitz oder der satzungsmäßige Sitz des Unternehmens im Inland, ist davon auszugehen, dass dort relevante Entscheidungen für das Risikomanagement der Lieferketten getroffen werden.

Damit werden auch Unternehmen erfasst, die im Ausland nach europäischem oder ausländischem Recht gegründet und deren Hauptverwaltungssitz, Hauptniederlassung oder Verwaltungssitz in der Bundesrepublik Deutschland liegt.

Zu Nummer 2

Das Merkmal „in der Regel“ bedeutet, dass die für das Unternehmen im Allgemeinen prägende Personalstärke maßgeblich ist. Dies erfordert sowohl eine rückblickende Betrachtung als auch eine Prognose hinsichtlich der zukünftigen Personalentwicklung.

Der sowohl rückblickend als auch vorausblickend betrachtete Zeitraum ist ausreichend lang zu bemessen, so dass kurzzeitige Schwankungen der Belegschaftsstärke keinen Einfluss auf die Anwendbarkeit oder Nichtanwendbarkeit des Sorgfaltspflichtengesetzes haben. Damit soll Stabilität, Planungssicherheit und letztlich Rechtssicherheit für die Unternehmen erreicht werden. Vorübergehende Änderungen etwa der Auftragslage und damit verbundene Schwankungen im Personalbestand sollen keinen Einfluss darauf haben, ob ein Unternehmen an die nachfolgen- den Sorgfaltspflichten gebunden ist.

Eine ähnliche Methode wird schon seit langem in anderen Rechtsbereichen zur Berechnung der Arbeitnehmer- schwelle herangezogen (vgl. BAG 1. Senat, Urteil v. 16.11.2004 – 1 AZR 642/03 – Rz. 11ff. – juris), wobei vorliegend für die Auslegung allein der Schutzzweck und die weiteren auslegungsrelevanten Merkmale dieses Gesetzes maßgeblich sind.

Wie lang der Referenzzeitraum zu bemessen ist, hängt von der Einzelfallbetrachtung ab, sollte sich aber am Geschäftsjahr orientieren.

Für die Prognose sind die Gegebenheiten zu ermitteln, die die Entwicklung des Unternehmens im Einzelfall kenn- zeichnen. Dazu zählen insbesondere konkrete Veränderungsentscheidungen durch den Arbeitgeber, zum Beispiel, ob für die Zukunft eine kontinuierliche Verkleinerung der Belegschaft bis zu einem bestimmten Niveau geplant ist. Erforderlich ist, dass diese Entscheidung von dem zuständigen Gesellschaftsorgan beschlossen ist und ihrer Verwirklichung nichts Wesentliches mehr im Weg steht. Daher reichen die bloße Erwartung einer Verschlechterung der Auftragslage oder die bloße Absicht einer Werksschließung nicht aus.

Werden Arbeitnehmer lediglich zeitweilig beschäftigt, kommt es für die Frage der regelmäßigen Beschäftigung darauf an, ob sie normalerweise während des größten Teils eines Jahres, das heißt länger als sechs Monate, beschäftigt werden (siehe BGH Beschluss v. 25.06.2019 zum Arbeitsplatzbezug). Ins Ausland entsendete Arbeit- nehmer sind erfasst.

Zu § 1 Absatz 1 Satz 2

Ab dem 1.1.2024 verringert sich die Schwelle gemäß § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 auf 1.000 Arbeitnehmer.

Zu Absatz 2

Leiharbeitnehmer bleiben auch während der Zeit der Arbeitsleistung bei einem Entleiher Angehörige des entsendenden Betriebs des Verleihers (§ 14 Absatz 1 AÜG). Sie zählen für die Schwelle gemäß Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 bei dem Entleihunternehmen mit, wenn Arbeitnehmerüberlassung längerfristig als Instrument zur Deckung des Personalbedarfs genutzt wird. Dies ist dann nicht der Fall, wenn der Einsatz der Arbeitnehmerüberlassung nicht kennzeichnend für die maßgebliche Größe des Unternehmens war.

Als zeitliche Untergrenze legt Absatz 2 eine Mindesteinsatzdauer von sechs Monaten fest. Nur wenn diese über- schritten wird, ist der Einsatz von Leiharbeitnehmern kennzeichnend für die maßgebliche Größe des Unternehmens und sind die Leiharbeitnehmer bei den „in der Regel“ beschäftigten Arbeitnehmern mitzuzählen.

Die Bemessung, wie lange Leiharbeit stattgefunden hat, folgt einer arbeitsplatzbezogenen Betrachtung. Maßgeblich ist danach, ob das Unternehmen während eines Jahres über die Dauer von mehr als sechs Monaten Arbeits- plätze mit Leiharbeitnehmern besetzt, unabhängig davon, ob es sich dabei um den Einsatz eines bestimmten oder wechselnder Leiharbeitnehmer handelt und ob die Leiharbeitnehmer auf demselben oder auf verschiedenen Arbeitsplätzen eingesetzt werden. Ist dies der Fall, sind die betreffenden Arbeitsplätze bei der Bestimmung des An- wendungsschwellenwertes mitzuzählen, wenn die Beschäftigung von Leiharbeitnehmern über die Dauer von sechs Monaten hinaus regelmäßig erfolgt (vgl. für andere Rechtsbereiche BGH, Beschl. v. 25.06.2019 – II ZB 21/18, DStR 2019, 1933 [1934 ff.] zu § 14 Absatz 2 Satz 6 AÜG).

Das Mitzählen der langfristig eingesetzten Leiharbeitnehmer bei der Ermittlung der Arbeitnehmerzahl im Entleihunternehmen für die Anwendbarkeit des Sorgfaltspflichtengesetzes beruht auf der Erkenntnis, dass die Anzahl der eingesetzten Leiharbeitnehmer für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unternehmens genauso relevant ist wie die Stammbelegschaft.

Ins Ausland entsendete Leiharbeitnehmer sind erfasst.

Zu Absatz 3

Durch die Vorschrift wird gewährleistet, dass Mutterunternehmen unter das Sorgfaltspflichtengesetz fallen, unabhängig davon, ob die Arbeitnehmer bei dem Mutterunternehmen oder dem oder den Tochterunternehmen beschäftigt sind.