Gesetzesbegründung zu § 4 LkSG

Zu § 4 (Risikomanagement)

Zu Absatz 1

§ 4 legt die Grundsätze fest, die bei der Einführung des Risikomanagements und der Durchführung der einzelnen Maßnahmen gemäß §§ 5 bis 10 zu beachten sind.

Zu Absatz 2

Das Risikomanagement dient dem Ziel, menschenrechtliche Risiken und Rechtsgutsverletzungen entlang ihrer Lieferketten zu identifizieren, zu verhindern, zu beenden oder zumindest zu minimieren, soweit eine Beendigung nicht möglich oder mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden ist. Regelungsgegenstand ist mithin die Verpflichtung zur Einhaltung eigener Sorgfaltspflichten am eigenen Standort.

Unternehmen müssen im Rahmen des Risikomanagements nur solche menschenrechtlichen und umweltbezoge- nen Risiken adressieren, die sie verursacht haben. Verursachen bedeutet, dass das Unternehmen das Risiko un- mittelbar alleine hervorgerufen hat oder durch seine Handlung zu der Entstehung oder Verstärkung des Risikos (kausal) beigetragen hat. Der Bezug zu der Lieferkette stellt klar, dass das Risiko dabei beim Unternehmen selber,

d.h. im eigenen Geschäftsbereich, bei einem unmittelbaren Zulieferer oder einem mittelbaren Zulieferer liegen kann.

Zu Absatz 3

Am Unternehmensstandort sind in allen maßgeblichen unternehmensinternen Geschäftsabläufen, die voraussicht- lich die Risikominimierung beeinflussen können, Zuständigkeiten zu verankern, um die Erfüllung der Sorgfalts- pflichten zu überwachen, etwa im Vorstand, in der Compliance-Abteilung oder im Einkauf. Die Einrichtung der Stelle eines Menschenrechtsbeauftragten, die unmittelbar der Geschäftsleitung unterstellt ist, ist zu empfehlen. Das Unternehmen hat die notwendigen Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen, um die angemessene Überwachung zu gewährleisten. Die Geschäftsleitung hat sich regelmäßig, d.h. zumindest jährlich sowie anlassbezogen, etwa bei der Einführung neuer Geschäftsbereiche oder Produkte, über die Arbeit der zuständigen Person oder Personen zu informieren.

Zu Absatz 4

Der Schutz dieses Gesetzes erfolgt sowohl im öffentlichen Interesse als auch im individuellen Interesse der un- mittelbar Betroffenen.

Die Beachtung der Interessen der Beschäftigten der Unternehmen, der Beschäftigten in der jeweiligen Lieferkette und derjenigen, die in sonstiger Weise von der wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmens oder seiner Liefer- kette unmittelbar betroffen sein können, soll dazu beitragen, dass das Unternehmen seine menschenrechtlichen Risiken erkennt, richtig einschätzt und geeignete Präventions- und Abhilfemaßnahmen wählt.

Dies kann in Form einer direkten Konsultation mit (möglicherweise) von Rechtsverletzungen betroffenen Perso- nen oder mit einer berechtigten Interessenvertretung erfolgen. Die Konsultation betroffener Personen oder ihrer Interessenvertretung kann dabei ein wichtiges partizipatives Mittel sein, um Informationen über ihre Interessen und menschenrechtliche Situation zu erlangen. Die Konsultation – etwa durch einen direkten Austausch – soll Transparenz, Verständnis und Akzeptanz für die beidseitigen Anliegen von Betroffenen sowie des Unternehmens fördern. Um eine angemessene Konsultation zu ermöglichen, kann der Abbau sprachlicher und anderweitiger Hürden erforderlich sein. Besonders ist auf betroffene vulnerable Personen wie beispielsweise Migrantinnen und Migranten oder Menschen mit Behinderungen zu achten, die verstärkt in ihren Rechten bedroht sind.

Zu den betroffenen Personen gehören insbesondere Beschäftigte sowie Personen, die in enger räumlicher Nähe zur unternehmerischen Tätigkeit stehen, wie beispielsweise Anwohnende oder Nutzer von Nachbargrundstücken einer Produktionsstätte. Die Betroffenheit von weiteren Personen kann sich auch anlassbezogen ergeben, zum Beispiel im Rahmen der Aufklärung von Missständen oder sonstigen Vorfällen. In diesem Zusammenhang kann nach der in § 8 vorgesehene Beschwerdemechanismus zu neuen Erkenntnissen führen, die im Rahmen der wie- derkehrenden Risikoanalyse berücksichtigt werden sollten.

Im Sinne eines effektiven Menschenrechtsschutzes ist der Begriff des Beschäftigten weit zu verstehen. Erfasst sind auch Selbstständige, die einem Unternehmen zuliefern und informell Beschäftigte, zum Beispiel Personen, die nach den jeweils geltenden Gesetzen in Schwarzarbeit tätig sind, die Arbeitsverboten unterliegen oder Schein- selbstständige sind.

Absatz 4 benennt weiterhin Personen, die von den wirtschaftlichen Aktivitäten der unter den Anwendungsbereich fallenden Unternehmen oder ihrer Zulieferer unmittelbar betroffen sein können. Darunter können etwa Anwoh- nerinnen und Anwohner in der Nähe des Unternehmensstandorts fallen. Geschützt werden sollen auch juristische Personen, Personenvereinigungen oder Gremien, sofern sie vom persönlichen Schutzbereich der Menschenrechte gemäß § 2 Absatz 1 erfasst sind, insbesondere Gewerkschaften.

Der Begriff der „wirtschaftlichen Tätigkeit“ ist weit zu verstehen und erfasst nicht nur die Produktionstätigkeit im engeren Sinne. Darunter fällt zum Beispiel auch die Erschließung oder der Erwerb von Grundeigentum, um darauf geschäftlich tätig zu sein.

Eine berechtigte Interessenvertretung zeichnet sich dadurch aus, dass sie unabhängig ist und die menschenrecht- lichen Interessen von betroffenen Personen in geeigneter Weise wahrnimmt. Hierzu zählen beispielsweise Ge- werkschaften und betriebliche Arbeitnehmervertretungen.