Gesetzesbegründung zu § 6 LkSG

Zu § 6 (Grundsatzerklärung und Präventionsmaßnahmen)

Zu Absatz 1

Mithilfe der Präventionsmaßnahmen beugen Unternehmen – basierend auf den Erkenntnissen der Risikoanalyse – den menschenrechtlichen Risiken im eigenen Geschäftsbereich und beim unmittelbaren Zulieferer vor. Zu den Präventionsmaßnahmen gehören die Verabschiedung einer Grundsatzerklärung (Absatz 2) sowie Maßnahmen, die auf der Grundsatzerklärung beziehungsweise der darin enthaltenen Menschenrechtsstrategie aufbauen (Ab- satz 3 und 4).

Die in der Grundsatzerklärung enthaltene Menschenrechtstrategie sowie angemessene Präventionsmaßnahmen muss das Unternehmen unverzüglich nach Feststellung des Risikos etablieren.

Zu Absatz 2

Die Grundsatzerklärung enthält eine zu entwickelnde Menschenrechtsstrategie. Sie ist von der Leitungsebene des Unternehmens zu verabschieden. Damit soll gewährleistet werden, dass die Unternehmensleitung sich durch die Erklärung klar zu der Unterstützung der Menschenrechtsstrategie positioniert. Die Strategie bringt die Selbstver- pflichtung und das Engagement des Unternehmens zur Achtung der Menschenrechte und der umweltbezogenen Pflichten zum Ausdruck.

Die Grundsatzerklärung ist gegenüber Beschäftigten, gegebenenfalls dem Betriebsrat, den unmittelbaren Zuliefe- rern und der Öffentlichkeit zu kommunizieren.

In den Nummern 1 bis 3 sind inhaltliche Mindestanforderungen an die Grundsatzerklärung und die in ihr enthal- tene Menschenrechtsstrategie formuliert:

Zu Nummer 1

Im Rahmen der Beschreibung des Verfahrens, mit dem das Unternehmen seinen Sorgfaltspflichten nachkommt, muss das Unternehmen das Konzept seines Risikomanagements nach § 4 erläutern. Hierbei sind zumindest die wesentlichen Maßnahmen im Rahmen der Risikoanalyse nach § 5, der Prävention nach § 6, der Abhilfe nach § 7, des Beschwerdeverfahrens nach § 8, der Sorgfaltspflichten bezogen auf den mittelbaren Zulieferer nach § 9 und der Dokumentations- und Berichtspflicht nach § 10 zu benennen.

Zu Nummer 2

Die in der Grundsatzerklärung enthaltene Menschenrechtsstrategie muss die für das Unternehmen besonders re- levanten menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risiken unter Bezugnahme auf die in der Anlage genannten Übereinkommen adressieren.

Zu Nummer 3

Das Unternehmen legt – auf Grundlage der Erkenntnisse aus der Risikoanalyse – die menschenrechts- und um- weltbezogenen Erwartungen fest, die es an seine Beschäftigten, Vertragspartner und mittelbaren Zulieferer richtet. Im Fokus der menschenrechts- und umweltbezogenen Erwartungen sollte die Minderung und Abwehr der Risiken stehen, die im Rahmen der Risikoanalyse priorisiert worden sind.

Die Erwartungen sollten in Grundzügen die Standards oder Maßstäbe festlegen, die ein Unternehmen an sich und an seine Zulieferer anlegt, um die Menschenrechte und umweltbezogenen Pflichten zu achten. Sie sollten so for- muliert sein, dass sie als Grundlage für die Entwicklung interner sowie externer Verhaltenskodizes oder Verhal- tensrichtlinien dienen können (vgl. dazu unten § 6 Absatz 3). Sie sollten sich an den in der Anlage in den Num- mern 1 bis 13 genannten Übereinkommen orientieren und dabei insbesondere klare Vorgaben zur Prävention, Minimierung oder Abhilfe von Risiken im Sinne des § 2 Absatz 2 und Absatz 4 enthalten.

Zu Absatz 3

Absatz 3 beschreibt Präventionsmaßnahmen im eigenen Geschäftsbereich. Die in den Nummern 1 bis 3 aufgelis- teten Regelbeispiele beschreiben Maßnahmen, die dazu dienen, die in der Grundsatzerklärung enthaltene Men- schenrechtsstrategie in die alltäglichen Unternehmensabläufe und -entscheidungen – insbesondere des Beschaf- fungsprozesses – zu integrieren und als festen Bestandteil zu etablieren.

Zu Nummer 1

Ein wichtiger Schritt der Prozessintegration ist dabei die Entwicklung von internen und externen Verhaltensvor- schriften und/oder Richtlinien für die einzelnen Geschäftsfelder und Geschäftsabläufe auf Grundlage der in der Grundsatzerklärung enthaltenen Menschenrechtsstrategie. Ein Fokus sollte dabei auf solchen Geschäftsfeldern liegen, die für das Risikomanagement als relevant identifiziert worden sind.

Dabei kann etwa die Erstellung eines Verhaltenskodexes sinnvoll sein, der die geltenden Standards für Mitarbei- tende konkretisiert und verständlich beschreibt. Verhaltenskodizes für (potentielle) Vertragspartner, in denen die menschenrechtlichen Erwartungen konkretisiert werden, können als Grundlage für Vertragsverhandlungen und

zur Vertragsausgestaltung genutzt werden. Auch die Festlegung einer Strategie zur Lieferantenauswahl und -ent- wicklung sowie die Festlegung von Maßnahmen im Falle eines Verstoßes gegen den Lieferantenkodex können zweckdienlich sein.

Zu Nummer 2

Der Einkauf hat – als Schnittstelle zwischen dem eigenen Geschäftsbereich und dem des Zulieferers – eine ent- scheidende Rolle bei der Vermeidung oder Minimierung menschenrechtlicher und umweltbezogener Risiken. Die Festlegung von Lieferzeiten, von Einkaufspreisen oder die Dauer von Vertragsbeziehungen können einen maß- geblichen Einfluss darauf haben, ob ein menschenrechtliches Risiko bei einem Zulieferer vermieden oder mög- licherweise verstärkt wird. Deshalb ist die Entwicklung und Implementierung von Beschaffungsstrategien und Einkaufspraktiken im Einklang mit der Grundsatzerklärung und der darin enthaltenen Menschenrechtsstrategie von besonderer Bedeutung.

Das Unternehmen sollte darüber hinaus in einer unternehmensinternen Verhaltensrichtlinie für die einzelnen Be- schaffungsschritte (u.a. Produktentwicklungen, Auftragsplatzierungen, Einkauf, Produktionsvorlaufzeiten) fest- legen, welche Vorkehrungen zu treffen sind, um die identifizierten Risiken zu minimieren bzw. diesen vorzubeu- gen.

Zu einer Verhaltensrichtlinie im Einklang mit der Menschenrechtsstrategie gehört auch die Bemühung um Trans- parenz und Kenntnis der Lieferkette.

Zu Nummer 3

Durch entsprechende Schulungen oder Fortbildungen soll sichergestellt werden, dass die eigenen Beschäftigten die Menschenrechtsstrategie sowie entsprechende Verhaltenskodizes und Richtlinien kennen, verstehen und rich- tig anwenden. Zum Beispiel sollten Einkäufer so geschult werden, dass sie die verankerten Standards im Tages- geschäft und in den einzelnen Arbeitsvorgängen anwenden können und in der Lage sind, mögliche Zielkonflikte zwischen Einkauf und Minimierung eines menschenrechtlichen Risikos – zum Beispiel in Form von Lieferzeiten – zu identifizieren und zu adressieren.

Zu Nummer 4

Mithilfe angemessener risikobasierter Kontrollmaßnahmen soll ein Unternehmen überprüfen, ob die Menschen- rechtstrategie in die alltäglichen Unternehmensabläufe integriert ist und die dort festgelegten menschrechts und umweltbezogenen Erwartungen tatsächlich umgesetzt werden. Dazu gehört auch die regelmäßige Aktualisierung der entwickelten Verfahrensleitfäden und -vorschriften.

Zu Absatz 4

§ 6 Absatz 4 gibt Regelbeispiele für Präventionsmaßnahmen gegenüber einem unmittelbaren Zulieferer, mit dem sich eine Vertragsbeziehung anbahnt oder bereits eine Vertragsbeziehung besteht.

Zu Nummer 1

Bei der Auswahl eines möglichen Vertragspartners sollen die menschenrechtsbezogenen Erwartungen des Unter- nehmens berücksichtigt werden. Das Unternehmen soll sie als festen Bestandteil einer Lieferantenbewertung etab- lieren, um die Aufnahme einer Vertragsbeziehung vorab zu evaluieren. Es sind die in der Gesetzesbegründung zu § 6 Absatz 2 Nummer 3 enthaltenen Vorgaben zu beachten.

Zu Nummer 2

Nummer 2 sieht vor, dass das Unternehmen seinen unmittelbaren Zulieferer bei Vertragsschluss verpflichtet, die von der Geschäftsleitung des Unternehmens verlangten menschenrechtsbezogenen und umweltbezogenen Vorga- ben im eigenen Geschäftsbereich einzuhalten und gegenüber seinen Zulieferern angemessen zu adressieren.

Dabei sollte das Unternehmen auf Grundlage seines Lieferantenkodexes vertraglich festlegen, welche Vorgaben der Vertragspartner bei der Auftragsübernahme beachten muss, um bestimmten – in der Risikoanalyse identifi- zierten – menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risiken vorzubeugen oder diese zu minimieren. Die Ver- pflichtung sollte so ausgestaltet sein, dass die Anforderungen auch nach Vertragsabschluss abhängig von den Ergebnissen der Risikoanalyse angepasst werden können.

Das Unternehmen sollte durch vertragliche Ausgestaltung sicherstellen, dass die menschenrechtsbezogenen Er- wartungen auch in der weiteren Lieferkette – d.h. durch Vorlieferanten – erfüllt werden, etwa durch die Verein- barung von Weitergabeklauseln. Durch diese wird der Vertragspartner verpflichtet, den Lieferantenkodex auch gegenüber seinen eigenen Vertragspartnern durch geeignete vertragliche Regelungen durchzusetzen. Das Unter- nehmen kann gegebenenfalls zusätzlich vertraglich festschreiben, dass der Vertragspartner bestimmte Produkte nur von ausgewählten (zuvor geprüften) Lieferanten beziehen darf oder nachweisen muss, dass bestimmte Pro- dukte aus zertifizierten Regionen oder Rohstoffe aus zertifizierten Schmelzen kommen (z.B. Chain of Custody Zertifizierung).

Zu Nummer 3 und Nummer 4

Die Überprüfung der Einhaltung der eigenen menschenrechtsbezogenen Standards bei unmittelbaren Zulieferern kann etwa durch eigene Kontrolle vor Ort, durch mit Audits beauftragte Dritte sowie durch die Inanspruchnahme anerkannter Zertifizierungs-Systeme oder Audit-Systeme erfolgen, soweit sie die Durchführung unabhängiger und angemessener Kontrollen gewährleisten. Die Beauftragung externer Dritter entbindet das Unternehmen nicht von seiner Verantwortung nach diesem Gesetz. Bezogen auf die Überprüfung mittelbarer Zulieferer ist insbeson- dere eine Fokussierung auf strategisch relevante Zwischenhändler und Zulieferer zu erwägen.

Zu Absatz 5

Die Wirksamkeit der Präventionsmaßnahmen ist einmal jährlich und anlassbezogen zu überprüfen, etwa vor Auf- nahme einer neuen Tätigkeit oder Beziehung, vor strategischen Entscheidungen oder Veränderungen in der Ge- schäftstätigkeit etwa durch einen bevorstehenden Markteintritt, Produkteinführung, Veränderung der Geschäfts- grundsätze oder umfassenderen geschäftlichen Veränderungen. Eine Analyse kann auch als Reaktion oder in Vo- rausschau auf Veränderungen im Geschäftsumfeld notwendig sein. Die Pflicht zur anlassbezogenen Überprüfung gilt jedoch nur für wesentliche Änderungen, wenn das Unternehmen mit einer veränderten oder erweiterten Risi- kolage in der Lieferkette rechnen muss.

Erkenntnisse aus der Bearbeitung von Hinweisen nach § 8 Absatz 1 und der Durchführung von Streitbeilegungs- verfahren nach § 8 Absatz 1 Satz 4 sind bei der regelmäßigen Überprüfung der Präventionsmaßnahmen zu be- rücksichtigen. Bei Bedarf sind die Maßnahmen unverzüglich anzupassen.