Gesetzesbegründung zu § 5 LkSG

Zu § 5 (Risikoanalyse)

Zu Absatz 1

Eine wichtige Voraussetzung für ein wirksames Risikomanagement ist es, die Auswirkungen der eigenen unter- nehmerischen Tätigkeit auf die Menschen zu kennen, die infolge einer Geschäftsbeziehung mit den Geschäftsfel- dern, den Produkten oder Dienstleistungen des Unternehmens verbunden sind. Bei der Risikoanalyse ist im Rah- men der Möglichkeiten in Betracht zu ziehen, auch externes Wissen zu konsultieren.

Mithilfe der Risikoanalyse soll das Unternehmen die menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risiken für den eigenen Geschäftsbereich und den Geschäftsbereich des unmittelbaren Zulieferers identifizieren, bewerten und priorisieren. Die Analyse dient als Grundlage, um wirksame Präventions- und Abhilfemaßnahmen festzulegen.

In einem ersten Verfahrensschritt sollen Unternehmen einen Überblick gewinnen über die eigenen Beschaffungs- prozesse, über die Struktur und Akteure beim unmittelbaren Zulieferer sowie über die wichtigen Personengrup- pen, die von der Geschäftstätigkeit des Unternehmens betroffen sein können. Dies kann in Form eines Risiko- mappings nach Geschäftsfeldern, Standorten, Produkten oder Herkunftsländern erfolgen. Kontextabhängige Fak- toren, wie die politischen Rahmenbedingungen oder vulnerable Personengruppen sind in die Analyse einzubezie- hen.

Satz 2 dient der Vorbeugung einer missbräuchlichen Ausgestaltung der Lieferkette oder eines Umgehungsge- schäftes zum Zwecke der Vermeidung der auf den unmittelbaren Zulieferer bezogenen Sorgfaltspflichten. Anzei- chen für missbräuchliche Gestaltungen oder ein Umgehungsgeschäft sind insbesondere, wenn der zwischen dem Unternehmen und dem unmittelbaren Zulieferer auftretende Dritte keiner nennenswerten eigenen Wirtschaftstä-

tigkeit nachgeht oder keine auf Dauer angelegte Präsenz in Gestalt von Geschäftsräumen, Personal oder Ausrüs- tungsgegenständen unterhält. In diesem Fall gilt dieser Zulieferer nach wie vor wie ein unmittelbarer Zulieferer des Unternehmens. Dies gilt auch für alle Sorgfaltspflichten

Zu Absatz 2

In einem zweiten Schritt sind die Risiken zu bewerten und, wenn notwendig, zu priorisieren. Auf dieser Grundlage kann das Unternehmen entscheiden, welche Risiken es zuerst adressiert, sollte es nicht in der Lage sein, alle Risiken gleichzeitig anzugehen.

Maßgebliche Kriterien für die Priorisierung sind die in § 3 Absatz 2 genannten Kategorien der Angemessenheit, etwa die Einflussmöglichkeit, die ein Unternehmen auf die Minderung des Risikos hat, abhängig zum Beispiel von der georderten Beschaffungsmenge oder von der Größe des Unternehmens. Ebenso wichtig ist die Schwere und Wahrscheinlichkeit der Verletzung gemäß § 3 Absatz 2 Nummer 3. Die Schwere wird nach Grad, Reichweite und Unumkehrbarkeit der Verletzung bewertet.

Das Unternehmen muss die Prüfung eines priorisierten Risikos vertiefen, wenn es für die Ergreifung von Maß- nahmen weitere Informationen benötigt, etwa zu der Schwere und Wahrscheinlichkeit der möglichen Menschen- rechtsverletzung, zu den betroffenen Personenkreisen, zu dem Zulieferer, bei dem das Risiko besteht, sowie zu der politischen, rechtlichen und kulturellen Situation am Produktionsort.

Es liegt im Ermessen des Unternehmens, eine geeignete Methode der Informationsbeschaffung und Bewertung zu wählen, je nach Risiko, Branche und Produktionsregion. So kann eine Inspektion vor Ort sinnvoll sein, wenn es um die Bewertung von Risiken im Zusammenhang mit dem Arbeitsschutz (z.B. Brand-, oder Gebäudesicher- heit oder geeignete Schutzmaßnahmen für Beschäftigte) geht. Gespräche mit Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh- mern oder deren gewerkschaftlicher Vertretung können als eine wichtige Informationsquelle für die Bewertung dienen, ob Arbeitnehmerrechte eingehalten werden. Über den direkten Austausch mit Anwohnern oder deren Interessenvertretern bzw. über geeignete Fallstudien oder weiteres Fachwissen können Informationen dazu erlangt werden, welche Auswirkungen die unternehmerische Tätigkeit auf Gesundheit oder Nutzungsmöglichkeiten von Wasser und Land haben.

Zu Absatz 3

Ein Unternehmen hat die Ergebnisse der Risikoanalyse an die maßgeblichen Entscheidungsträger im Unterneh- men zu kommunizieren und diese haben die Ergebnisse zu berücksichtigen.

Zu Absatz 4

Da die Menschenrechtslage dynamisch ist, ist die Risikoanalyse in regelmäßigen Abständen, mindestens aber jährlich zu aktualisieren. Zusätzlich ist die Risikoanalyse anlassbedingt erneut durchzuführen, etwa vor Aufnahme einer neuen Tätigkeit oder Beziehung, vor strategischen Entscheidungen oder Veränderungen in der Geschäftstä- tigkeit etwa durch einen bevorstehenden Markteintritt, eine Produkteinführung, eine Veränderung der Geschäfts- grundsätze oder umfassendere geschäftliche Veränderungen. Eine Analyse kann auch als Reaktion oder in Vo- rausschau auf Veränderungen im Geschäftsumfeld notwendig sein. Die Pflicht zur anlassbezogenen Überprüfung gilt jedoch nur für wesentliche Änderungen, wenn das Unternehmen mit einer veränderten oder erweiterten Risi- kolage in der Lieferkette rechnen muss.

Erkenntnisse aus der Bearbeitung von Hinweisen nach § 8 Absatz 1 und der Durchführung von Streitbeilegungs- verfahren nach § 8 Absatz 1 Satz 4 sind bei der regelmäßigen Überprüfung der Risikoanalyse zu berücksichtigen. Auf diese Weise ist gewährleistet, dass Erkenntnisse über Risiken, die das Unternehmen in solchen Verfahren erlangt, genutzt werden, um das Risikomanagement zu verbessern.