Gesetzesbegründung zu § 3 LkSG

Zu Abschnitt 2 (Sorgfaltspflichten)

Zu § 3 (Sorgfaltspflichten)

Zu Absatz 1

Die Sorgfaltspflichten gemäß § 3 sind kein einmaliger Prozess. Sie beinhalten einen sich wiederholenden Kreis- lauf der verschiedenen, in den §§ 4 bis 10 definierten Verfahrensschritte, die aufeinander aufbauen und sich auf- einander beziehen und die in Satz 2 konkret benannt werden.

Die Sorgfaltspflichten begründen eine Bemühens- und keine Erfolgspflicht. Unternehmen müssen nicht garantie- ren, dass in ihren Lieferketten keine Menschenrechte oder umweltbezogene Pflichten verletzt werden. Sie müssen vielmehr nachweisen können, dass sie die in den §§ 4 bis 10 näher beschriebenen Sorgfaltspflichten umgesetzt haben, die vor dem Hintergrund ihres individuellen Kontextes machbar und angemessen sind.

Die Sorgfaltspflichten beziehen sich auf den eigenen Geschäftsbereich, auf den Geschäftsbereich des unmittelba- ren Zulieferers sowie auf den des mittelbaren Zulieferers. Welche Maßnahmen für jede Stufe zu ergreifen sind, wird in den §§ 4 bis 10 näher geregelt.

Die Sorgfaltspflichten orientieren sich an dem menschenrechtlichen Due Diligence-Begriff der VN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte von 2011, sowie am Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschen- rechte von 2016. Die Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD) hat die menschenrecht- lichen Sorgfaltspflichten 2011 in ihre „OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen“ integriert. Das VN- Hochkommissariat für Menschenrechte (OHCHR) und die OECD haben darüber hinaus in branchenübergreifen- den sowie branchenspezifischen Leitfäden praxisnah ausgeführt und konkretisiert, was Unternehmen tun können, um ihre Sorgfaltspflichten zu erfüllen. Zu nennen sind insbesondere die folgenden Titel:

“UN OHCHR (2012): The Corporate Responsibility to Respect Human Rights. An Interpretive Guide,

UN OHCHR (2018): Corporate human rights due diligence – Getting started, emerging practices, tools and resources,

OECD (2012): OECD Due Diligence Guidance for Responsible Business Conduct,

OECD (2012): OECD-Guidance for Responsible supply Chains of Minerals from Conflict-Affected and High-Risk Areas,

OECD/FAO (2016), OECD-FAO Guidance for Responsible Agricultural Supply Chains,

OECD (2017): OECD-Due Diligence Guidance for Meaningful Stakeholder Engagement in the Extractive Sector,

OECD (2018): OECD Due Diligence Guidance for Responsible Supply Chains in the Garment and Footwear Sector,

OECD (2018): Responsible business conduct for institutional investors: Key considerations for due diligence,

OECD (2019): Due Diligence for Responsible Corporate Lending and Securities Underwriting: Key considera- tions for banks implementing the OECD Guidelines for Multinational Enterprises.

Zu Absatz 2

Absatz 2 benennt in Nummer 1 bis 4 wesentliche Kriterien für eine angemessene Ausgestaltung des Risikomanagements. Dem Unternehmen wird damit der notwendige flexible Ermessens- und Handlungsspielraum bei der Auswahl der geeigneten Maßnahmen gewährt. Welche Risiken das Unternehmen wie adressieren muss, hängt maßgeblich von der individuellen Unternehmens- und Risikosituation ab.

Dabei gilt: je stärker die Einflussmöglichkeit eines Unternehmens ist, je wahrscheinlicher und schwerer die zu erwartende Verletzung der geschützten Rechtsposition und je größer der Verursachungsbeitrag eines Unternehmens ist, desto größere Anstrengungen können einem Unternehmen zur Vermeidung oder Beendigung einer Verletzung zugemutet werden. Je anfälliger eine Geschäftstätigkeit nach Produkt und Produktionsstätte für menschenrechtliche Risiken ist, desto wichtiger ist die Überwachung der Lieferkette.

Das Prinzip der Angemessenheit gilt für alle im Folgenden geregelten Pflichten und wird dort durch das Wort „angemessen“ in Bezug genommen.

Zu Nummer 1

Art und Umfang der Geschäftstätigkeit beurteilen sich nach qualitativen und quantitativen Merkmalen. Die Art der Geschäftstätigkeit umfasst beispielsweise die Beschaffenheit des Produkts oder der Dienstleistung, die Viel- falt der erbrachten Leistungen und Geschäftsbeziehungen und die überregionale oder internationale Ausrichtung.

Der Umfang der Geschäftstätigkeit bezieht sich unter anderem auf die Größe des Unternehmens, auf die Anzahl und Funktion der Beschäftigten, auf das Umsatzvolumen, auf das Anlage- und Betriebskapital sowie auf die Pro- duktionskapazität. Es sind insbesondere länder-, branchen- und warengruppenspezifische Risiken zu erwägen. Umso anfälliger eine Geschäftstätigkeit nach Art und Umfang ist, die geschützten Rechtspositionen oder umwelt- bezogenen Pflichten zu verletzen, desto umfassender müssen die zu ergreifenden Präventions- und Abhilfemaß- nahmen ausfallen.

Zu Nummer 2

Welche Maßnahme angemessen ist, bestimmt sich auch nach dem konkreten Einflussvermögen des Unterneh- mens auf den Zulieferer, der das Risiko für eine geschützte Rechtsposition nach § 2 Absatz 1 oder einen drohen- den Verstoß gegen eine umweltbezogene Pflicht nach § 2 Absatz 3 unmittelbar verursacht hat. Dies kann sich beispielsweise nach der Größe des Unternehmens oder nach dem Auftragsvolumen richten. Ein wesentlicher Ein- flussfaktor ist die Nähe zum Risiko, d.h. wo und durch wen das Risiko unmittelbar entsteht: beim Unternehmen selbst, bei einem Vertragspartner oder bei einem mittelbaren Zulieferer entlang der Lieferkette.

Abhängig von der Nähe und der Einflussmöglichkeit des Unternehmens verändern sich die Anforderungen an die zu ergreifenden Maßnahmen.

Zu Nummer 3

Das Gefahrenpotential, das heißt die Schwere und Wahrscheinlichkeit der negativen Auswirkungen, ist ein wei- teres wesentliches Kriterium der Angemessenheit des Risikomanagements: Die typischerweise zu erwartende Schwere der Verletzung der geschützten Rechtsposition bemisst sich nach dem Grad der tatsächlichen oder po- tenziellen Beeinträchtigung, nach der Zahl der tatsächlich oder potenziell betroffenen Menschen und der Mög- lichkeit, die negativen Auswirkungen wieder zu beheben. Die Eintrittswahrscheinlichkeit beschreibt die Einschät- zung, ob und wann das Risiko in eine Rechtsgutsverletzung mündet.

Kriterien für die Bewertung von Schwere und Wahrscheinlichkeit können zum Beispiel die Zugehörigkeit eines Unternehmens zu einem Hochrisikosektor sein, die tatsächlichen und ordnungspolitischen Rahmenbedingungen

des Produktionsortes, der Umgang mit giftigen Stoffen in der Produktion oder die mangelhafte Nachhaltigkeits- performance (potentieller) Lieferanten.

Zu Nummer 4

Bei der Art des Verursachungsbeitrages ist zu unterscheiden, ob ein Unternehmen das Risiko unmittelbar alleine oder gemeinsam mit einem anderen Akteur verursacht hat, oder ob es mittelbar einen Beitrag zum Risiko oder zur Verletzung geleistet hat. Ein Beispiel für eine unmittelbare alleinige Verursachung ist die Missachtung von Arbeitsschutzstandards am eigenen Standort. Eine unmittelbare (Mit-)Verursachung ist zum Beispiel gegeben, wenn ein Unternehmen durch nicht fachgerechte Abfallentsorgung einen Fluss verschmutzt – und andere Unter- nehmen dies ebenfalls tun – und hierdurch gegebenenfalls die Trinkwasserversorgung der Anwohnenden gefähr- det. Eine mittelbare Verursachung ist anzunehmen, wenn ein Unternehmen die Produktanforderungen gegenüber seinem Zulieferer in letzter Minute ändert, ohne die Lieferzeiten oder den Einkaufspreis anzupassen, und der Zulieferer in Folge gegen ILO-Kernarbeitsnormen verstößt, um den geänderten Anforderungen gerecht zu wer- den.

Die Art des Verursachungsbeitrages ist typischerweise eng verknüpft mit dem Kriterium des unternehmerischen Einflussvermögens.