Gesetzesbegründung zu § 2 LkSG

Zu § 2 (Begriffsbestimmungen)

Zu Absatz 1

Absatz 1 verweist auf die in der Anlage zu diesem Gesetz aufgeführten, weitgehend universell ratifizierten völkerrechtlichen Verträge zum Schutz der Menschenrechte (Anlage Nummer 1 bis 11). Sie stellen lediglich eine Auswahl des internationalen Menschenrechtskanons dar. Die dort genannten Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation wiederum gelten als Kernübereinkommen, weil in ihnen die grundlegenden Prinzipien und Rechte zum Ausdruck gebracht werden.

Alle aufgeführten Verträge hat die Bundesrepublik ratifiziert. Durch die Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt ist ihr Inhalt für die Unternehmen zugänglich und kann als Ausgangspunkt für das Risikomanagement verwendet werden. Die einzelnen Normen sind durch langjährige Auslegung der zuständigen Gremien (insbesondere der VN-Vertragsausschüsse und des ILO- Sachverständigenausschusses) konkretisiert worden. Dabei ist auch die Bedeutung einzelner Normen für die Unternehmensverantwortung herausgearbeitet und geschärft worden.

Der Katalog ist abschließend. Er ist als Referenzrahmen für die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Achtung von Menschenrechten durch seine Verankerung in den VN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (Leitprinzip 12) und in den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen (Kapitel IV, Rz.39) international

anerkannt. Auch die Europäische Union bezieht sich in der Verordnung (EU) 2020/852 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2020 über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen (sog. Taxonomie-VO) ausdrücklich auf diesen Menschenrechtskatalog als Bewertungsgrundlage, ob eine unternehmerische Wirtschaftstätigkeit als nachhaltig einzustufen ist (vgl. Artikel 3c und Artikel 18 Taxonomie-VO).

Mit dem Verweis auf die in der Anlage aufgelisteten Abkommen wird nicht impliziert, dass Unternehmen unmittelbar an die völkerrechtlich garantierten internationalen Menschenrechte gebunden sind. Nur Staaten sind als Vertragsparteien der jeweiligen internationalen Abkommen oder durch Völkergewohnheitsrecht unmittelbar an die darin festgehaltenen Menschenrechte gebunden und müssen ihrer staatlichen Schutzpflicht gerecht werden.

Zu Absatz 2

In Absatz 2 wird der Begriff des menschenrechtlichen Risikos für dieses Gesetz definiert. Anhand von abschließenden Verboten wird konkretisiert, in welchen Fällen eine Verletzung der in § 2 Absatz 1 geschützten Rechtspositionen droht Absatz 2 verdeutlicht außerdem, dass sich der im Gesetz verwendete Begriff „geschützte Rechtsposition“ ausschließlich auf solche menschenrechtlichen Rechtspositionen bezieht, die in den in § 2 Absatz 1 genannten Übereinkommen enthalten sind.

Zu Nummer 1

Nummer 1 betrifft das Verbot der Beschäftigung eines Kindes unter dem zulässigen Mindestalter und definiert in Orientierung an das ILO-Übereinkommen Nr. 138 das zulässige Mindestalter bei der Beschäftigung von Kindern.

Das zulässige Mindestalter richtet sich nach dem anwendbaren Recht des Beschäftigungsortes, soweit es mit den definierten Altersangaben vereinbar ist, das heißt soweit es die Altersschwelle für das zulässige Mindestalter nicht absenkt, oder soweit es eine zulässige Ausnahmeregelung beinhaltet. Dies setzt voraus, dass das ILO-Überein- kommen Nr. 138 Bestandteil des geltenden Rechts des Beschäftigungsortes ist und dass im nationalen Recht eine Ausnahme gemäß der Artikel 2 Absatz 3, Artikel 3 Absatz 3, sowie Artikel 4 bis 8 des ILO-Übereinkommens Nr. 138 geregelt ist.

Artikel 2 Absatz 4 und Artikel 3 Absatz 3 des ILO-Übereinkommens Nr. 138 erlauben unter bestimmten Voraus- setzungen die Herabsetzung des Mindestalters von 15 auf 14 Jahren, beziehungsweise die Herabsetzung von 18 auf 16 Jahren. Artikel 4 sieht vor, dass begrenzte Kategorien der Beschäftigung und Arbeit von der Altersbegren- zung ausgenommen werden können, bei denen im Zusammenhang mit der Durchführung besondere Probleme von erheblicher Bedeutung bestehen. Artikel 5 ermöglicht die anfängliche Begrenzung der Regelungen zum Min- destalter bei ungenügender Entwicklung von Wirtschaft und Verwaltungseinrichtungen. Artikel 6 sieht die Aus- nahme von Arbeiten vor, die Kinder in Schulen, Ausbildungsanstalten oder Betrieben ausführen. Nach Artikel 8 kann ein Mitgliedstaat in Einzelfällen Ausnahmenregeln für das zulässige Mindestalter von 15 Jahren erlassen, zum Beispiel zum Zweck der Teilnahme an künstlerischen Veranstaltungen.

Das in Artikel 3 des ILO-Übereinkommens Nr.138 definierte Mindestalter von 18 Jahren für die Zulassung zu einer Beschäftigung, die wegen ihrer Art oder der Verhältnisse, unter denen sie verrichtet wird, voraussichtlich für das Leben, die Gesundheit oder die Sittlichkeit der Jugendlichen gefährlich ist, wird gesondert im Zusammen- hang mit dem Verbot der schlimmsten Formen der Kinderarbeit unter Nummer 2 Buchstabe d adressiert.

Zu Nummer 2

Zu Buchstabe a, Buchstabe b, Buchstabe c und Buchstabe d

Nummer 2 beschreibt die schlimmsten Formen der Kinderarbeit für Kinder unter 18 Jahren. Dazu gehören in Orientierung an das ILO-Übereinkommen Nr. 182 alle Formen der Sklaverei und Zwangsarbeit, das Heranziehen, Vermitteln oder Anbieten eines Kindes zur Prostitution, zur Herstellung von Pornographie oder zu pornographischen Darbietung sowie das Heranziehen, Vermitteln oder Anbieten eines Kindes zu unerlaubten Tätigkeiten so- wie Arbeit die voraussichtlich für die Gesundheit, die Sicherheit oder die Sittlichkeit von Kindern schädlich ist. Dieses Verbot ist auch in Artikel 3 des ILO-Übereinkommens Nr. 138 verankert. Darüber hinaus ist der besondere Schutz von Kindern im Arbeitsumfeld in Artikel 24 Absatz 1 des Internationalen Paktes vom 19. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte enthalten.

Zu Nummer 3

Nummer 3 betrifft das Verbot der Beschäftigung von Personen in Zwangsarbeit, das seine Grundlagen und Ausnahmetatbestände in Artikel 8 des Internationalen Paktes vom 19. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte, in ILO Übereinkommen Nr. 29 und in ILO-Übereinkommen Nr. 105 findet.

Indikatoren für die Beschäftigung in Zwangsarbeit sind etwa das Einbehalten von Löhnen, das Einschränken der Bewegungsfreiheit eines Beschäftigten, das Einbehalten von Ausweisdokumenten, die Schaffung unzumutbarer Arbeit- und Lebensverhältnisse durch eine Arbeit unter gefährlichen Bedingungen oder in vom Arbeitgeber gestellten unzumutbaren Unterkünften, ein exzessives Maß an Überstunden sowie die Anwendung von Einschüchterungen und Drohungen.

Zu Nummer 4

Nummer 4 betrifft das Verbot aller Formen der Sklaverei, sklavenähnlicher Praktiken, Leibeigenschaft oder an- derer Formen von Herrschaftsausübung oder Unterdrückung im Umfeld der Arbeitsstätte. Als Beispiel wird hier die extreme wirtschaftliche oder sexuelle Ausbeutung und Erniedrigung aufgeführt. Das Verbot der Sklaverei und Leibeigenschaft ist in Artikel 8 Absatz 1 und 2 des Internationalen Paktes für bürgerliche und politische Rechte vom 19. Dezember 1966 niedergelegt. Für Personen unter 18 Jahren ist ein Verbot der Sklaverei, sklaverei-ähnlichen Praktiken und der Leibeigenschaft in Artikel 1 in Verbindung mit Artikel 3 Buchstabe a des ILO-Übereinkommens Nr. 182 normiert.

Zu Nummer 5

Zu Buchstabe a, Buchstabe b, Buchstabe c und Buchstabe d

Nummer 5 betrifft den Bereich des Arbeitsschutzes. Die Missachtung von nach dem anwendbaren nationalen Recht geltenden Pflichten des Arbeitsschutzes birgt das Risiko arbeitsbedingter Unfälle und Gesundheitsgefahren, die in der Folge bei einem Betroffenen Gesundheitsschäden oder den Tod herbeiführen können. Daher dient die Beachtung grundlegender Pflichten des Arbeitsschutzes dem Recht auf Leben aus Artikel 6 Absatz 1 des Internationalen Paktes vom 19. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte, dem Recht auf Gesundheit aus Artikel 12 des Internationalen Paktes vom 19. Dezember 1966 über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte und der Verwirklichung sicherer und gesunder Arbeitsbedingungen in Sinne des Artikel 7 Buchstabe b des Inter- nationalen Paktes vom 19. Dezember 1966 über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Bei der Auslegung und Ausgestaltung des Rechts auf sichere und gesunde Arbeitsbedingungen bieten die in Übereinkommen Nr. 155 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 22. Juni 1981 über Arbeitsschutz und Arbeitsumwelt und Überein- kommen Nr. 187 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 15. Juni 2006 über den Förderungsrahmen für den Arbeitsschutz niedergelegten Grundstandards des Arbeitsschutzes – unabhängig von ihrem Ratifikationsstand – laut VN-Vertragsausschuss Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte eine wesentliche Orientierung.

Ein Risiko für die Gesundheit oder das Leben einer Person kann insbesondere aus der Missachtung von Sicherheitsstandards bei der Bereitstellung und Instandhaltung der Arbeitsstätte und des Arbeitsplatzes und der Arbeits- mittel entstehen.

Während der Arbeitsplatz alle Orte umfasst, an denen der Beschäftige für die Arbeit tätig ist, umfasst die Arbeitsstätte darüber hinaus auch das weitere Betriebsgelände sowie Verkehrs- und Fluchtwege. Eine Gefährdung von Leib und Leben kann bei der Einrichtung und Gestaltung von Arbeitsstätte und Arbeitsplatz beispielsweise entstehen, wenn das Gebäude, in dem Arbeit verrichtet wird, nicht genügend gegen Brandgefahren gerüstet ist oder keine Fluchtwege und Notausgänge bereithält.

Bei der Verwendung von Arbeitsmitteln, einschließlich Arbeitsstoffen, Maschinen, Ausrüstung, Anlagen und Geräten müssen Unternehmen in der Lieferkette Gefährdungen, die sich aus deren Einsatz ergeben, erkennen und minimieren. Dabei sind auch Risiken zu berücksichtigen, die sich aus dem Zusammenhang zwischen Arbeitsplatz, Arbeitsmittel und Arbeitsverfahren ergeben. Neben der Sicherheit von Maschinen, Ausrüstung, Geräten und An- lagen müssen Unternehmen auch überprüfen, ob die Arbeiter bei der Tätigkeit Gefahrenstoffen ausgesetzt sind, welche die Gesundheit schädigen können. Ein Anwendungsbeispiel ist hier etwa das Risiko, das sich bei land- wirtschaftlichen Tätigkeiten aus Pestizidvergiftungen ergeben kann.

Unternehmen müssen zudem Risiken entgegenwirken, die im Zusammenhang ihrer Tätigkeit durch die Einwirkung physikalischer, chemischer oder biologischer Stoffe entstehen. Gesundheitsgefahren können entweder durch unmittelbaren Kontakt des Betroffenen mit den Stoffen oder mittelbar über den Kontakt mit kontaminierten Bo- den, Luft oder Wasser entstehen. Beschäftigte können physikalischen Einwirkungen im Rahmen der betrieblichen Tätigkeit etwa durch Unfälle mit unsicheren Maschinen, durch extreme Temperaturen, einen Brand oder die Detonation explosiver Materialien, durch elektrische Gefährdung und durch Strahlung ausgesetzt sein. Chemische Einwirkungen können durch Gase in der Raumluft hervorgerufen werden. Durch Kontakt mit Bakterien, Viren oder Pilzen kann für die Beschäftigten die Gefahr einer biologischen Einwirkung bestehen. Sind Beschäftigte vorhersehbar derartigen Einwirkungen ausgesetzt, können Risiken durch ausreichende Schutzbekleidung und Schutzausrüstung gemindert werden.

Das Risiko einer arbeitsbedingten Gesundheitsgefahr kann sich auch aus einer ungeeigneten Arbeitsorganisation in Bezug auf Arbeitszeiten und Ruhepausen ergeben, die zu übermäßiger körperlicher oder geistiger Ermüdung der Arbeiter führt. Exzessive Überstunden sowie fehlende Mindestpausenregelungen und Arbeitszeitbegrenzungen sind zum Beispiel teilweise im Textilsektor vorzufinden. Das Verbot dient auch dem in Artikel 7 Buchstabe d des Internationalen Paktes vom 19. Dezember 1966 über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte verankerten Schutz des Rechts auf Arbeitspausen, Freizeit und einer angemessenen Begrenzung der Arbeitszeit.

Arbeitsbedingte Unfälle und Gesundheitsgefahren können ebenso durch mangelnde Ausbildung eines Arbeiters hervorgerufen werden. Um Gefahrensituationen zu erkennen, müssen Arbeitnehmer vor der Einstellung eine den Anforderungen der Tätigkeit entsprechende Ausbildung besitzen und eine geeignete Unterweisung bezüglich der konkreten Gefährdungen des Arbeitsplatzes oder Aufgabenbereiches sowie geeigneter Gegen- und Notfallmaß- nahmen erhalten. Eine erneute Unterweisung bedarf es zudem bei der Verwendung neuer Arbeitsmittel oder dem Einsatz in neue Aufgabenbereiche, sofern diese besonders gefahrgeneigt sind. Sofern dies im Hinblick auf die von der Arbeitstätigkeit ausgehenden Gefahren erforderlich ist, müssen Unterweisungen regelmäßig wiederholt werden.

Eine ungenügende Einweisung ist beispielsweise bei dem Umgang mit Chemikalien besonders risikoreich. Dies kann sowohl die Gesundheit der Arbeiternehmer ernsthaft gefährden als auch nachhaltige Umweltschäden verursachen, etwa durch die Verunreinigung von Böden und Gewässern.

Zu Nummer 6

Zu Buchstabe a, Buchstabe b und Buchstabe c

Nummer 6 betrifft das Verbot der Missachtung der Koalitionsfreiheit. Unternehmensverhalten kann sich unmittelbar negativ auf das Recht ausüben, Gewerkschaften oder andere Mitarbeitenden-Vertretungen zu bilden. Dies kann beispielsweise dann von besonderer Bedeutung sein, wenn ein Unternehmen in Ländern aktiv ist, in denen Gewerkschaften verboten sind. Generell müssen alle Unternehmen innerhalb ihres Geschäftsbereiches darauf achten, Vereinigungen oder andere Gruppen in ihrer Gründung und ihren Aktivitäten nicht durch ihr unternehmerisches Handeln zu behindern und damit die nach Artikel 22 des Internationalen Paktes vom 19. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte, Artikel 8 des Internationalen Paktes vom 19. Dezember 1966 über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, ILO-Übereinkommen Nr. 87 und ILO-Übereinkommen Nr. 98 einzuhaltenden Regelungen zu verletzen.

Zu Nummer 7

Nummer 7 befasst sich mit dem Verbot der Diskriminierung von Beschäftigten im Arbeitsleben auf Grund von nationaler und ethnischer Abstammung, sozialer Herkunft, Gesundheitsstatus, Behinderung, sexueller Orientierung, Alter, Geschlecht, Religion und Weltanschauung oder anderen Merkmalen. Grundlage für das Diskriminierungsverbot ist das allgemeine Diskriminierungsverbot gemäß Artikel 2 Absatz 1 des Internationalen Paktes vom

19. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte und Artikel 2 Absatz 2 des Internationalen Paktes vom

19. Dezember 1966 über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. ILO-Übereinkommen Nr. 111 verbietet darüber hinaus jede Form der Ungleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf. Artikel 1 Buchstabe a des ILO-Übereinkommens Nr. 111 definiert „Diskriminierung“ als jede Unterscheidung, Ausschließung oder Bevorzugung, die auf Grund der Rasse, der Hautfarbe, des Geschlechts, des Glaubensbekenntnisses, der politischen Meinung, der nationalen Abstammung oder der sozialen Herkunft vorgenommen wird und die dazu führt, die Gleichheit der Gelegenheiten oder der Behandlung in Beschäftigung oder Beruf aufzuheben oder zu beeinträchtigen.

Artikel 7 Buchstabe a Ziffer i des Internationalen Paktes vom 19. Dezember 1966 über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte enthält ein spezielles Diskriminierungsverbot in Bezug auf das Geschlecht. Demnach dürfen Frauen nicht unter ungünstigeren Arbeitsbedingungen als Männer beschäftigt werden, sie müssen für gleiche Ar- beit gleiches Entgelt erhalten. Der Grundsatz der Gleichheit des Entgelts männlicher und weiblicher Arbeitskräfte für gleichwertige Arbeit ist ebenfalls im ILO-Übereinkommen Nr. 100 niedergelegt.

Zu Nummer 8

Nummer 8 betrifft das Verbot des Vorenthaltens eines angemessenen Lohns. Das Gebot, den Beschäftigten einen angemessenen Lohn zu zahlen, ist im Recht auf einen angemessenen Lebensunterhalt aus Artikel 7 Buchstabe a Ziffer ii des Internationalen Paktes vom 19. Dezember 1966 über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte enthalten. Bei der Bemessung des Lohns sind mindestens die Mindestlohnbestimmungen des anwendbaren Rechts einzuhalten. Die örtlichen Lebenserhaltungskosten des Beschäftigten und seiner Familienangehörigen sowie die örtlichen Leistungen der sozialen Sicherheit sollen dabei berücksichtigt werden.

Zu Nummer 9

Zu Buchstabe a, Buchstabe b, Buchstabe c und Buchstabe d

Nummer 9 betrifft das Verbot der Herbeiführung einer schädlichen Bodenveränderung, Gewässerverunreinigung, Luftverunreinigung, Lärmemission oder eines übermäßigen Wasserverbrauchs. Das Verbot dient dem Schutz des Lebens nach Artikel 6 Absatz 1 des Internationalen Paktes vom 19. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte, der Gesundheit nach Artikel 12 des Internationalen Paktes vom 19. Dezember 1966 über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte und der Gewährleistung ausreichender Nahrung, Wasser- und Sanitärversorgung nach und Artikel 11 Absatz 1 Satz 1 des Internationalen Paktes vom 19. Dezember 1966 über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte.

Durch eine schädliche Kontamination des Bodens, der Luft oder des Wassers des Landes, in dem die unternehmerische Tätigkeit ausgeführt wird, können natürliche Ressourcen derart beeinträchtigt oder zerstört werden, dass der Zugang zu natürlichen Grundlagen zum Erhalt und der Produktion von Nahrung und zu einwandfreiem Trinkwasser verwehrt wird. Ebenso kann eine erhebliche Lärmemission die Gesundheit einer Person schädigen. In Regionen mit akuter Wasserknappheit kann eine Entnahme großer Wassermengen im Rahmen eines unternehmerischen Vorhabens zur Bedrohung der Wasserversorgung der Bevölkerung führen. Ebenso besteht das Risiko, dass der Zugang zu Sanitäranlagen verwehrt wird, wenn durch eine Verunreinigung des Grundwassers oder den Entzug übergroßer Wassermengen der Zugang zur Sanitärversorgung bedroht wird. Die Herbeiführung einer Nah- rungs- oder Wasserverunreinigung oder -verknappung darf ebenso nicht dazu führen, dass eine Person an der Gesundheit geschädigt wird.

Zu Nummer 10

Nummer 10 dient dem Schutz vor widerrechtlicher Zwangsräumung. Dieser findet seine Grundlagen in dem Recht auf einen angemessenen Lebensstandard einschließlich ausreichender Nahrung, Unterbringung sowie Wasser- und Sanitätsversorgung gemäß Artikel 11 Absatz 1 Satz 1 des Internationalen Paktes vom 19. Dezember 1966 über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte.

Beim Erwerb, der Bebauung oder anderweitigen Nutzung von Land muss ein Unternehmen am Ort der unternehmerischen Tätigkeit vermeiden, dass es zu einer widerrechtlichen Zwangsräumung kommt. Problemlagen ergeben sich insbesondere dort, wo im nationalen Recht vorgesehene prozessrechtliche Garantien für eine Zwangsräumung wie etwa eine rechtzeige Information und Konsultation der Betroffenen nicht eingehalten werden oder der Zugang zu Rechtmitteln und angemessener Kompensation durch das Handeln eines Unternehmens erschwert wird.

Zu Nummer 11

Zu Buchstabe a, Buchstabe b und Buchstabe c

Nummer 11 dient dem Schutz der Betroffenen vor extensiver Gewalt, Folter und der Verletzung der Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit durch private oder staatliche Sicherheitskräfte im Dienste eines Unternehmens.

Nummer 11 Buchstabe a stützt sich auf das Folterverbot gemäß Artikel 7 des Internationalen Paktes vom 19. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte.

Nummer 11 Buchstabe b dient dem Schutz des Rechts auf Leben gemäß Artikel 6 des Internationalen Paktes vom

19. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte sowie dem Recht auf Gesundheit gemäß Artikel 12 des Internationalen Paktes vom 19. Dezember 1966 über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte.

Nummer 11 Buchstabe c stützt sich auf die Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit gemäß Artikel 22 des Internati- onalen Paktes vom 19. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte und Artikel 8 des Internationalen Paktes vom 19. Dezember 1966 über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte.

Tätigkeiten in einem Gebiet, das von einem bewaffneten Konflikt betroffen ist, gehen mit dem Risiko einher, dass Unternehmen Menschenrechtsverletzungen oder Verstöße gegen das Humanitäre Völkerrecht anderer Akteure fördern. Arbeiten Unternehmen zum Schutz ihres Betriebes mit privaten oder öffentlichen Sicherheitskräften zusammen, müssen sie gewährleisten, dass diese bei dem Einsatz für das Unternehmen Menschenrechte achten. Bei der Nutzung von staatlichen Sicherheitskräften sollten Unternehmen vor der Beauftragung überprüfen, ob gravierende Menschenrechtsverletzungen durch diese Einheiten dokumentiert sind. Beim Einsatz privater Wachmannschaften haben Unternehmen besonderen Einfluss darauf, die Vertragsbeziehung zu solchen Sicherheitskräften derart zu gestalten, dass diese sich an den geltenden Rechtsrahmen halten. Durch eine angemessene Unterweisung und Kontrolle der verwendeten Sicherheitskräfte soll das Risiko der Verletzung von in § 2 Absatz 1 geschützten Rechtspositionen minimiert werden.

Zu Nummer 12

Zweck der Auffangklausel ist es, jedes weitere über die Nummern 1 bis 11 hinausgehende Tun oder pflichtwidrige Unterlassen zu erfassen, das ebenso wie die ausdrücklich genannten Verbote geeignet ist, in besonders schwer- wiegender Weise die in § 2 Absatz 1 geschützten Rechtspositionen zu verletzen und dessen Rechtswidrigkeit bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist.

Zu Absatz 3

Absatz 3 verweist für den Begriff der umweltbezogenen Pflicht auf die in den Nummer 12 und 13 der Anlage aufgelisteten Übereinkommen. Die beiden dort aufgeführten völkerrechtlichen Verträge zum Schutz der Umwelt und der menschlichen Gesundheit wurden von der Bundesrepublik Deutschland ratifiziert. Die Liste ist abschließend. Absatz 3 verdeutlicht, dass sich der im Gesetz verwendete Begriff „umweltbezogene Pflichten“ ausschließlich auf solche Pflichten bezieht, die sich aus den in den Nummern 12 und 13 der Anlage genannten Übereinkommen ergeben.

Zu Absatz 4

Absatz 4 definiert den Begriff des umweltbezogenen Risikos für dieses Gesetz. Anhand von abschließenden Ver- boten wird konkretisiert, in welchen Fällen eine Verletzung einer in § 2 Absatz 3 aufgeführten umweltbezogenen Pflicht für dieses Gesetz droht.

Zu Nummer 1, Nummer 2 und Nummer 3

Nummern 1 bis 3 dienen der Einhaltung umweltbezogener Pflichten, die sich aus dem Minamata-Überkommen ergeben. Der Schutz der Umwelt und menschlichen Gesundheit vor negativen Folgen einer Quecksilberemission ist in § 2 Absatz 3 in Verbindung mit Anlage Nummer 12 enthalten.

Unternehmen sollen ihre Tätigkeit in der Lieferkette darauf überprüfen, ob sie an der Herstellung quecksilberanteiliger Produkte im Sinne des Artikel 4 Absatz 1 und der Anlage A Teil I beteiligt sind. Die Herstellung von mit Quecksilber versetzten Produkten nach Anlage A Teil I des Minimata-Übereinkommens stellt kein Risiko dar, wenn Anlage A für den konkreten Fall einen Ausschluss vorsieht, in der geltenden Rechtsordnung eine registrierte Ausnahme nach Artikel 6 des Minamata-Übereinkommens vorliegt oder von der Option des Artikel 4 Absatz 2 Gebrauch gemacht wurde.

Nach Artikel 5 Absatz 2 des Minamata-Übereinkommens soll die Verwendung von Quecksilber und Quecksilberverbindungen bei Herstellungsprozessen im Sinne der Anlage B Teil I des Minamata-Übereinkommens ab dem für den jeweiligen Prozess im Übereinkommen bestimmten Ausstiegszeitpunkt unterbleiben. Dies gilt nicht, wenn das Land, dessen Rechtsordnung für die unternehmerische Tätigkeit Anwendung findet, eine Ausnahme nach Artikel 6 des Minamata-Übereinkommens registriert hat. Artikel 5 Absatz 1 des Minamata- Übereinkom- mens schränkt den Begriff der Herstellungsprozesse in Hinblick auf bestimmte Tätigkeiten zusätzlich ein.

Quecksilberabfälle im Sinne des Artikel 11 Absatz 2 sollen von Unternehmen in Übereinstimmung mit Artikel 11 Absatz 3 des Minamata-Abkommens umweltgerecht behandelt werden. Das Minamata-Abkommen verweist dies- bezüglich auf die Bestimmung des Basler Übereinkommens.

Zu Nummer 4 und Nummer 5

Nummern 4 bis 5 dienen der Einhaltung umweltbezogener Pflichten aus dem sogenannten POPs-Übereinkom- men. Die dort enthaltenen Verbote sollen vor den negativen Folgen von persistenten organischen Schadstoffen schützen.

Unternehmen müssen überprüfen, ob bei ihren Aktivitäten in der Lieferkette Chemikalien im Sinne des Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a und der Anlage A POPs-Übereinkommen produziert oder verwendet werden. Ist die Pro- duktion und Verwendung der in Anlage A aufgeführten Stoffe in dem Staat der anwendbaren Rechtsordnung nach der Maßgabe des Artikel 3 Absatz 1 a) verboten oder eingeschränkt oder hat sich dieser Staat durch Ratifikation zu einem entsprechenden Verbot verpflichtet, bestehen diesbezüglich Sorgfaltspflichten im Sinne der §§ 3 bis 10.

Auch bei der Handhabung, Sammlung, Lagerung und Entsorgung von Abfällen, die persistente organische Schadstoffe im Sinne des POPs-Abkommens enthalten, müssen Unternehmen die sich aus den geltenden nationalen Regelungen und den Maßgaben der Artikel 6 Buchstabe d Ziffern i und ii des POPS-Übereinkommen ergebenden Pflichten beachten.

Zu Absatz 5

Absatz 5 definiert den Begriff der Lieferkette. Der Begriff bezieht sich auf die von einem Unternehmen produzierte Leistung und erfasst alle Schritte, die im Inland und im Ausland zu der Herstellung eines Produktes oder zu der Erbringung einer Dienstleistung notwendig sind. Erfasst wird dabei auch die Inanspruchnahme von Dienstleistungen, die erforderlich für die Produkterstellung ist, wie zum Beispiel der Transport oder die Zwischenlagerung von Waren. Zu der Erbringung einer Dienstleistung gehört auch jede Form von Finanzdienstleistung.

Die Lieferkette beginnt mit der Gewinnung der Rohstoffe und endet mit der Lieferung des Produktes an den Endkunden. Dabei können die Bestandteile einer Lieferkette je nach Art des Produktes oder der Leistung variie- ren. Die Lieferkette zur Herstellung eines Sachgutes enthält typischerweise die Phase der Beschaffung (d.h. die Gewinnung und Lieferung von Rohstoffen für die Herstellung von Produkten), der Produktion (die Verarbeitung der Rohstoffe zu den Fertigprodukten) und des Vertriebs (Aktivitäten, die dafür sorgen, dass das Produkt seinen endgültigen Bestimmungsort erreicht, zum Beispiel mit Hilfe von Distributoren, Lagern, physischen Geschäften oder Online-Plattformen). Bei der Anbietung einer Finanzdienstleistung, zum Beispiel durch Kreditinstitute, fin- det ein wesentlicher Teil der Produktion zeitgleich mit der Erbringung der Dienstleistung gegenüber dem Kunden statt und setzt, zum Beispiel durch Investition oder Kreditvergabe, weitere Produktionsprozesse frei. Deshalb werden für solche Dienstleistungen auch die Beziehung zum Endkunden und die nachgelagerten Stufen der Lie- ferkette erfasst. Wenn beispielsweise ein Zulieferer, der einen Hersteller beliefert, einen Kredit zur Finanzierung seiner Produktion aufnimmt, ist auch der Kredit und die kreditgebende Bank von der Lieferkette des Herstellers umfasst. Daraus folgt aber – vorbehaltlich § 5 Absatz 1 Satz 2 – nicht, dass Finanzdienstleister, die einen Kredit vergeben, Sicherheiten oder Kundengelder anlegen, Sorgfaltspflichten nach diesem Gesetz über den Kreditnehmer, Sicherungsnehmer oder das Anlageobjekt hinaus trifft. Nach Sinn und Zweck des Gesetzes, wonach mit den Sorgfaltspflichten gewisse Informations- und Einflussnahmemöglichkeiten einhergehen müssen, ist es nur bei Krediten, Sicherheiten oder anderen Finanztransaktionen, die so bedeutend sind, dass mit ihnen typischer besondere Informations- und Kontrollmöglichkeiten einhergehen, gerechtfertigt, den Endkunden in die Lieferkette einzubeziehen. Bei Krediten ist das beispielsweise der Fall, wenn die Schwelle für Großkredite nach Art. 392 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute erreicht wird. Beschränkt sich die Dienstleistung auf die Vermittlung von Finanzdienstleistungen, erstrecken sich die Sorgfaltspflichten wie bei anderen Dienstleistungen auch nicht auf den Endkunden. Bei Versicherungsunternehmen ist die Anlage von Vermögenswerten nicht Bestandteil der Liefer- kette, aufgrund derer das Unternehmen seine Dienstleistungen erbringt. Als Dienstleistungen erfasst sind auch Wiederverwertung oder Entsorgung bei Unternehmen, deren Geschäftszweck die Wiederverwertung und Entsorgung ist.

Nummer 1 bis 3 benennen die verschiedenen Handlungsebenen in der Lieferkette und unterscheiden zwischen dem Handeln im eigenen Geschäftsbereich, dem Handeln unmittelbarer Zuliefer und dem Handeln mittelbarer Zulieferer.

Zu Absatz 6

Absatz 6 definiert den eigenen Geschäftsbereich und stellt klar, dass alle Tätigkeiten einer Gesellschaft als Rechts- träger des Unternehmens erfasst sind. Unterhält eine Gesellschaft mehrere Standorte, an denen sie selber Produkte oder Dienstleistungen erstellt oder verwertet, ist jede Tätigkeit zur Erstellung und Verwertung von Produkten und Dienstleistungen erfasst, unabhängig davon ob sie an einem Standort im In- oder Ausland vorgenommen wird. Dies können demnach Tätigkeiten an dem Sitz, der Niederlassung, Zweigstelle oder Produktionsstätte eines Unternehmens sein. Maßgeblich ist, dass der Standort Teil der Gesellschaft als rechtliche Unternehmenseinheit ist.

Zu Absatz 7

Absatz 7 definiert den Begriff des unmittelbaren Zulieferers als Vertragspartner, dessen Zulieferungen für die Erstellung des Produktes oder die Erbringung der Dienstleistung notwendig sind. Zulieferungen erfassen dabei im Einklang mit der Definition der Lieferkette nach Absatz 5 sowohl Sachgüter als auch Dienstleistungen.

Zu Absatz 8

Absatz 8 definiert den Begriff des mittelbaren Zulieferers. Dieser erfasst alle Zulieferer, mit denen das Unternehmen infolge seiner Vertragsbeziehungen, seiner Geschäftstätigkeit, seiner Produkte oder Dienstleistungen trotz fehlender direkter Vertragsbeziehungen verbunden ist.